Karen Schachnasarow - Shakhnazarov

2017
Anna Karenina
Karen Schachnasarow - Shakhnazarov
Russland
138′
Leo Tolstois grandioser Roman um Anna Karenina und deren schleichenden Ausschluss aus der vermeintlich noblen Gesellschaft wurde schon oft verfilmt, aber wir bekamen in der Regel die westlichen Versionen zu sehen. Jetzt bietet sich die Gelegenheit, Tolstois Figuren für einmal in Russisch reden zu hören. Darüber hinaus hat der Filmemacher den Blickwinkel von Annas Liebhaber Wronski gewählt, der mitten im russisch-japanischen Krieg 1904 Annas erwachsenem Sohn von seiner unsterblichen Liebe erzählt. Die unsterbliche Liebe Die Liebesgeschichte «Anna Karenina» gehört mit ihrer scharfsinnigen Studie der so genannt noblen Gesellschaft zu den besten Romanen, die je geschrieben wurden. Mehr als 60 Mal wurde Tolstois 1878 veröffentlichtes Buch über Ehe und Moral bereits verfilmt. Russlands Altmeister Karen Schachnasarow weiss das und wählte denn auch einen speziellen Blickwinkel für seine Erzählung. Er setzt dreissig Jahre nach dem Tod von Anna an und lässt ihren Liebhaber Wronski mitten in den Kriegswirren von 1904 auf den erwachsenen Sohn Sergei treffen. Der war damals ein Kind und hat die Spannungen zwischen Vater und Mutter nur schwerlich verstehen können. Während die Haupthandlung Tolstois Meisterwerk folgt, stützt sich Schachnasarow in der Rahmenhandlung auf die Aufzeichnungen des Schriftstellers und Arztes Wikenti Weressajew und dessen persönlichen Erfahrungsbericht. Sergei behandelt als Arzt im Lazarett in der Mandschurai den verletzten Wronski und taucht im Gespräch mit ihm in die Erinnerungen ein. Und wir mit den beiden. Anna Karenina lebt das eheliche Leben mit ihrem Mann und verliebt sich hoffnungslos in den attraktiven Offizier Wronski. Als der Ehemann die Situation begreift, verweigert er seiner Frau die Scheidung, um den Schein zu wahren. Für Schachnasarow hat nie ein Autor besser die Beziehung zwischen Frau und Mann beschrieben, und so bleibt er der Vorlage treu, inszeniert das Buch schnörkellos, damit wir in die Zeit Annas eintauchen können. Schönes Erzählkino in bester Tradition. Walter Ruggle
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1989
Gorod Zero (1989)
Karen Schachnasarow - Shakhnazarov
Russland
97′
Karen Schachnasarow, der Regisseur von ANNA KARENINA, gehörte in den 1980er Jahren zu den jungen Talenten im Kino des Umbruchs in der ehemaligen Sowjetunion und zu den schönsten Beispielen aus jenen Jahren zählt die Komödie GOROD ZERO (Die Stadt Zero), die auf erfrischende Art die Absurditäten des sowjetischen Alltags zuende dachte und klar machte, dass der Weg, der damals Perestroika genannt wurde, ein langer sein muss. Der Fim zeigte das Leben als absurdes Museum. Alexei Warakin steigt in der frühen Morgendämmerung aus dem Schlafwagen eines Zuges. Ein Taxi bringt ihn zum Hotel. Draussen fährt ein Tram vorbei. Ein Tag hat begonnen. Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass dieser Tag kein gewöhnlicher sein soll. Allen scheint alles normal, auch und gerade das scheinbar Ungewöhnliche. Nur Alexei, der Mann vom Zug hat Mühe, an vieles von dem zu glauben, was er wahrnimmt. Uns geht es ähnlich wie ihm, und das soll so sein, das ist so reizvoll. Karen Schachnasarow, der Regisseur des Filmes «Gorod Zero», war damals ein verhältnismässig junger sowjetischer Filmemacher, der sich mit Filmkomödien in seiner Heimat bereits einen Namen geschaffen hatte und mit diesem Film auch im anderswo Aufsehen erregte. Zuvor hatte er bereits mit dem Spielfilm «Kurier» den Hauptpreis am Filmfestival von Moskau geholt. Schachnasarow setzte mit «Gorod Zero» seine Reihe von Filmen fort, die auf unterhaltsame Art auch zeitkritische Stoffe bearbeiteten. Die Komödie erscheint noch heute als ein ein absurd anmutendes Stück, das auf dem Boden der Realität sehr schön und geschickt zu hüpfen verstand. Die Geschichte des Mannes, der in eine Stadt führt, dort eigenartige Dinge erlebt und nicht mehr rauskommt, hat es in sich. Warakin möchte seiner misslichen Situation möglichst rasch wieder entfliehen, doch das schafft er nicht, kann er nicht schaffen. Wie alle andern ist er verwachsen mit dem Ganzen, Teil der Bedingungen für ebendiese Situation. Die Stadt Zero steht natürlich für die schwierige Phase, in der sich die sowjetische Gesellschaft in der Zeit des Umbruchs befand. Auf der einen Seite jene in all den Jahren der staatlichen Bevormundung gewachsene Trägheit, in der jeder und jede gerade das Notwendigste schafft, wo ein Fabrikdirektor erst mit acht Monaten Verspätung wahrnimmt, dass sein Chefingenieur ertrunken ist, ein Kellner nur gerade jenen Gast bedient, auf den er sich nun einmal eingelassen hat. Auf der anderen Seite die neue Idee von echter Selbstverantwortung, die teils bereits Fuss fassen konnte. Nur: Neue Ideen haben es schwer, zu sehr lebt man im alten Trott. Schachnasarow vereinigt auf der kafkaesken Reise des Mannes aus Moskau mehrmals einige Personen zum Gruppenbild: Das kann im Dekor eines tief unter der Erdoberfläche gelegenen Wachsfigurenmuseums sein, wo ein irrer historischer Abriss uns bis zurück in die trojanische Zeit fährt, das kann in einem Hotelzimmer geschehen, wo neben ein paar Animierdamen, Staatspersonal und eine verstummte Liebhaberin räsonieren, mit all ihre Wünschen, Träumen, Idealen eine Art lebendiges aber eben genauso erstarrtes Kabinett abgeben. Das alte Volkslied, das die Gruppe in Warakins Hotelzimmer singt, hat mit der Unmöglichkeit zu tun, sich von diesem Leben zu lîsen. Da kommt das zentrale Motiv des Filmes zum Tragen: All die Figuren wissen im Innersten sehr wohl um die Absurdität ihrer Situation, aber sie gestehen sie sich letztlich nicht ein und schaffen es deshalb auch nicht, von ihr loszukommen. Kein Zufall, dass Schachnasarow die Filme von Luis Buñuel liebt. Der Russe versteht es, die einzelnen Szenen in wenige, lakonische Einstellungen aufzulösen, die einerseits einen real scheinenden Vorgang vormachen und andererseits die absurde Situation in klaren Strichen zeichnen. Menschliche Wahrnehmung ist subjektiv und damit relativ. Der Schein kann immer wieder trügen, und in neuen Zusammenhängen kommen einem neue Rollen zu. Warakin muss hören, er sei der Sohn des ersten Rock'n'Roll-Tänzers im Ort, der bereits am 18. Mai 1957 aus dem Rahmen tanzte und damit Aufsehen erregt hatte. Schon einmal frönte seine Heimatstadt des freien Tanzes. Inzwischen wird wieder Rock'n'Roll getanzt, gibt es am Bildschirm billige Stripshows zu sehen, hat alles sich gewandelt, nur eines ist gleichgeblieben: Das Wesen der Menschen. «Gorod Zero» ist ein wunderbares Zeitdokument, ein witziger, unterhaltsamer und bisweilen sogar intellektuell verstiegener Film. Die Zeit der Gleichgültigkeit, die in der Stadt Zero vorherrscht, als Alexei ankommt, sollte überwunden werden, aber wie? Ob sich Alexei absetzen kann, bleibt offen. Vielleicht, scheint Schachnasarow zu bedeuten, gelingt ihm die Bootsfahrt ins Ungewisse besser als jene erste Fahrt, die ihn ins vermeintlich Gewisse gebracht hatte. Walter Ruggle
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