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Barravento

Glauber Rocha, Brasilien, 1962

Glauber Rochas Erstling
Die Fischer in einem Dorf in Bahia an der Nordküste Brasiliens müssen ihr Netz von einem Händler mieten und dafür 90 Prozent des Fangs abgeben. Mehr noch: Der Netzbesitzer droht ihnen immer wieder, ihr Arbeitsgerät zu entziehen. Ganz ähnlich wie zwei Jahre später in «Deus e o Diabo na Terra do Sol» rebelliert die schwarze Gemeinschaft nicht, sie erträgt die Ausbeutung durch den weissen Gauner im Glauben, dass ihr eines Tages die Götter aus der Not helfen werden.

Firmino, ein junger Mann mit neuen Ideen, der aus der Stadt in sein Dorf zurückgekommen ist, rebelliert gegen den Fatalismus. Er zerschneidet das Netz der Fischer, das dem Händler gehört, um sie zur Selbsthilfe zu bewegen. Es gelingt ihm jedoch lediglich, das Bewusstsein Aruans, des irdischen Vertreters der Meeresgöttin, zu verändern. Glauber Rocha bezieht in seinem Erstling nicht nur den Rhythmus seiner Sequenzen, sondern auch das Wesen seiner Erzählung aus dem manchmal ruhigen und sinnlichen, manchmal erregten und unerbittlichen Spiel von Meer und Erde. Indem er das einfache Leben der Sklavenabkömmlinge beschreibt, verankert er seinen Film in der Wirklichkeit. Der Film gleicht einem freien, entfesselten Gedicht und packt noch heute durch die Ausstrahlungskraft seiner Bilder.
Glauber Rochas Erstling
Die Fischer in einem Dorf in Bahia an der Nordküste Brasiliens müssen ihr Netz von einem Händler mieten und dafür 90 Prozent des Fangs abgeben. Mehr noch: Der Netzbesitzer droht ihnen immer wieder, ihr Arbeitsgerät zu entziehen. Ganz ähnlich wie zwei Jahre später in «Deus e o Diabo na Terra do Sol» rebelliert die schwarze Gemeinschaft nicht, sie erträgt die Ausbeutung durch den weissen Gauner im Glauben, dass ihr eines Tages die Götter aus der Not helfen werden.

Firmino, ein junger Mann mit neuen Ideen, der aus der Stadt in sein Dorf zurückgekommen ist, rebelliert gegen den Fatalismus. Er zerschneidet das Netz der Fischer, das dem Händler gehört, um sie zur Selbsthilfe zu bewegen. Es gelingt ihm jedoch lediglich, das Bewusstsein Aruans, des irdischen Vertreters der Meeresgöttin, zu verändern. Glauber Rocha bezieht in seinem Erstling nicht nur den Rhythmus seiner Sequenzen, sondern auch das Wesen seiner Erzählung aus dem manchmal ruhigen und sinnlichen, manchmal erregten und unerbittlichen Spiel von Meer und Erde. Indem er das einfache Leben der Sklavenabkömmlinge beschreibt, verankert er seinen Film in der Wirklichkeit. Der Film gleicht einem freien, entfesselten Gedicht und packt noch heute durch die Ausstrahlungskraft seiner Bilder.
Dauer
81 Minuten
Sprache
OV Portugiesisch
Untertitel
Deutsch, Französisch
Video-Qualität
720p
Verfügbarkeit
Schweiz, Österreich, Deutschland, Liechtenstein
Idade da terra (1980)
Glauber Rocha
Brasilien
152′
Symphonie in Bild und Ton Dieser 1980 am wieder geborenen Filmfestival von Venedig erstmals präsentierte und heftigst debattierte Film wurde zum Vermächtnis des jung verstorbenen Glauber Rocha, der notierte: «A idade da terra (Das Alter der Erde) ist die Zerlegung der Erzählsequenz, ohne dass dabei der infrastrukturelle Diskurs verloren geht, der die repräsentativsten Zeichen der dritten Welt materialisieren soll.» Bühne sind die drei wichtigsten Städte Bahia, Brasília und Rio. Der Film, sagte Rocha selber, «bietet eine Symphonie in Bild und Ton an oder ist eine Anti-Symphonie, die die wesentlichen Probleme in den Hintergrund stellt. Dieser Film kann nur so eingeordnet werden: Er ist mein Porträt neben dem Porträt Brasiliens.» Der Film ist, wie jemand in der Imdb schreibt, kein Werk für ein Publikum, das experimentelle und kontroverse Arbeiten scheut. Wer Glauber Rocha und seine Radikalität schätzt, wird diesen Film als das sehen und verstehen, was bei seiner Uraufführung in Venedig mit Händen fassbar war: Der Film ist ein einziges Aufbäumen, das zum letzten Aufbäumen Glauber Rochas werden sollte: Der engagierte und enragierte Brasilianer, der das "Cinema Novo" massgeblich geprägt hat, starb 1981 an den Folgen einer Lungeninfektion.
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Antonio das mortes (1969)
Glauber Rocha
Brasilien
99′
In einem Dorf im Nordosten erscheint ein «Cangaceiro» und gibt sich als Reinkarnation des berühmten Lampião aus. Antônio das Mortes, der gedungen wurde, das Böse in Gestalt der Cangaceiros und Propheten auszurotten, macht sich auf den Weg, ihn zu treffen und es beginnt ein Duell zwischen dem «Drachen des Bösen» und dem «Heiligen Krieger». Ein Film, so gewalttätig und schön wie das Sertão, der Nordosten Brasiliens, in dem Glauber Rocha sein opernhaftes und vielschichtiges Werk drehte.
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Terra em transe (1967)
Glauber Rocha
Brasilien
108′
Im imaginären Land Eldorado erzählt der sterbende Schriftsteller und Journalist Paulo von seinen Nöten. Er schwankte stets zwischen zwei Anwärtern auf das höchste Staatsamt: Don Porfirio Diaz, dem Politiker der Hauptstadt, und Don Felipe Vieira, dem Statthalter der Provinz Alecrim. Vieira, dem die Kirche zur Seite stand, hielt seine Wahlversprechen nicht ein, der mystische Diaz wurde von Don Julio Fuentes und den Medien unterstützt. Der Film, der als Glauber Rochas wichtigstes und polemischstes Werk gilt und unbemerkt von der brasilianischen Militärdiktatur gedreht wurde, bestätigt das geschärfte politische und soziale Gewissen des Filmemachers. Durch seine soziale Sprengkraft beweist das in mancherlei Hinsicht revolutionäre Werk Rochas Genialität, ist sein zentrales poetisches und politisches Manifest. Dieser Klassiker des lateinamerikanischen Kinos wurde sorgfältig restauriert (es handelt sich um den ersten Spielfilm Lateinamerikas, der ganz in Digitaltechnik restauriert wurde). Dadurch zeichnet sich der Film heute erneut durch dieselbe Qualität wie bei seiner Premiere vor vierzig Jahren aus - und eben auch durch seine Sprengkraft.
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The Pink Cloud
Iuli Gerbase
Brasilien
104′
Eines Morgens ist sie da: Die mysteriöse rosa Wolke. Es heisst, sie sei tödlich, und so sind alle gezwungen, im Innern zu bleiben und nicht ins Freie zu treten. Auch Giovana und Yago, die sich auf einer Party getroffen und auf einen One Night Stand zusammengefunden hatten, müssen sich unerwartet aneinander gewöhnen. Gemeinsam warten sie darauf, dass die Wolke verschwindet, aber es scheint, als würde sie das nicht. Giovana und Yago kommunizieren mit ihren Freunden und Verwandten übers Internet und erhalten Nahrung am Fenster durch ein von der Regierung installiertes Liefersystem. Man könnte meinen, der Spielfilm «The Pink Cloud» sei als Geschichte zum Lockdown geschrieben worden, so ungemein passend wirkt der Erstling der jungen Brasilianerin Iuli Gerbase. Ist er aber nicht, denn das Endzeitspiel, zu dem sie uns mit ihrem unfreiwilligen Paar zusammenbringt, hat sie geschrieben und gedreht, bevor Corona wie eine rosa Wolke um die Welt zog. Sie hatte dabei eher an eine Metapher zum Druck des Konservativen auf die Gesellschaft gedacht, wie er in den letzten Jahren nicht nur in ihrer Heimat verstärkt wurde. Der rosa Dunst, der sich im Freien ausbreitet und tödlich wirkt, verändert das Leben. Die beiden Liebesspielenden sind in ein länger andauerndes Paar-Dasein gezwungen, durchleben von der Leidenschaft über die Verantwortung bis hin zur Auflösung und Wiedervereinigung alle Schattierungen einer Beziehung. Gezielt dringt die Brasilianerin in tiefere Schichten vor: Wie man mit einer Krise umgeht, entscheidet sich zu einem grossen Teil im Kopf. Ein faszinierender Film, den man heute mit den Erfahrungen von einem pandemischen Jahr natürlich ganz anders anschaut - vielleicht sind wir alle noch einmal glimpflich davongekommen. Auf alle Fälle gibt's den Film zur Sicherheit für Innenräume als Schweizer Premiere exklusiv auf filmingo.
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The Invisible Life of Eurídice Gusmão
Karim Aïnouz
Brasilien
139′
Rio de Janeiro, 1951. Eurídice und Guida sind zwei unzertrennliche Schwestern, die bei ihren Eltern leben und eigene Träume verfolgen: Eurídice möchte Pianistin werden, Guida sucht die grosse Liebe. Als Guida schwanger heimkehrt, bricht ihr Vater den Kontakt zwischen den beiden Töchtern ab. Karim Aïnouz schafft ein mehrschichtiges tropisches Melodram um zwei Frauen, deren Unabhängigkeit des Geistes unvermindert lebt, auch wenn ihre Träume vom patriarchalen Umfeld zerschlagen werden. Brasiliens Oscar-Einreichung 2020 bietet ganz grosses Gefühlskino.
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Das Salz der Erde
Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado
Brasilien
110′
Sebastião Salgados Bilder bewegen die Menschen seit Jahrzehnten. Hinter dem, was sie zeigen, leuchten Geschichten und mitunter ganze Universen auf. Der Fotograf arbeitet auf allen Kontinenten, für seine Reportagen verbringt er jeweils Monate an einem Ort. Im Lauf der Zeit wurde er Zeuge von zahlreichen wichtigen und düsteren Ereignissen der Menschheitsgeschichte. Schliesslich reiste Sebastião Salgado an von der Zivilisation unberührte Orte und realisierte «Genesis»: eine atemberaubend schöne fotografische Liebeserklärung an unseren Planeten. Der vielfach ausgezeichnete Kino-Poet Wim Wenders («Pina») hat «Das Salz der Erde» zusammen mit Juliano Ribeiro Salgado – dem Sohn des Fotografen – realisiert. Die beiden Regisseure finden einen sehr persönlichen Zugang zu Sebastião Salgado. Das Charisma dieses Ausnahmetalents und seine die Seele berührenden, von einem ganz speziellen Leuchten durchdrungenen Bilder beeindrucken nachhaltig. «Das Salz der Erde» ist eine grossartige Hommage – aufwühlend, magisch, unvergesslich.
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The Second Mother
Anna Muylaert
Brasilien
112′
Einfach mal in den Swimmingpool springen? Im Wohnzimmer statt in der Küche essen? Für Val ist sowas undenkbar. Seit Jahren führt sie in São Paulo den Haushalt einer Familie, für deren Sohn ist sie wie eine Mutter. Ihre eigene Tochter musste Val in ihrer Heimat zurücklassen, die beiden haben sich ewig nicht gesehen. Doch jetzt kommt Jéssica in die Stadt, um zu studieren – und sie sieht keinerlei Grund, sich an die herrschenden Gepflogenheiten zu halten. So schläft sie im Gästezimmer statt in der Bediensteten-Kammer und sie nimmt sich einfach aus dem Kühlschrank, worauf sie gerade Lust hat. Val ist entsetzt – bis ein Geheimnis ans Licht kommt, das Jéssica lange gehütet hat… Die brasilianische Regisseurin Anna Muylaert bringt mit ihrem aktuellen Film eine so universelle wie bezaubernde Sozialkomödie auf die Leinwand. Die liebevoll gezeichneten Figuren – allen voran die charismatische Val, exzellent gespielt von Regina Casé – wachsen einem sofort ans Herz. «The Second Mother» ist ein leichtfüssig erzählter Film mit ernsten Untertönen, voller berührender Momente und Situationskomik. Er wurde an der Berlinale mit dem Publikumspreis und am Sundance Festival mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet.
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Medusa
Anita Rocha Da Silveira
Brasilien
128′
Mariana ist 21 Jahre alt und lebt in einer religiösen Gemeinschaft, wo sie ihr Bestes gibt, um die ideale Frau zu sein: schön und fügsam. Nachts bringen sie und ihre Freundinnen ihre Religiosität auf andere Weise zum Ausdruck. In der Stadt machen sie Jagd auf Frauen mit lockeren Sitten und erteilen ihnen eine Lektion. Als Mariana eines Abends selbst eine Narbe davonträgt und damit nicht mehr in das perfekte Bild passt, wird ihr Glaube erschüttert und sie beginnt, sich mit ihren Taten auseinanderzusetzen. Mit ihrem zweiten Spielfilm liefert Anita Rocha Da Silveira ein politisch engagiertes Statement und nimmt die Realität eines ganzen Kontinents aufs Korn, in dem evangelikale Kirchen ihre Macht nutzen und durch Aberglauben und Gewalt Druck auf Frauen ausüben. In starken und stilvoll inszenierten Bildern und durch die Vermischung verschiedener Genres zeigt die Filmemacherin die Idealisierung von körperlicher und geistiger Reinheit sowie den Kampf der Frauen, ihre eigene Stimme zu finden. Eine fesselnde Parabel auf das heutige Brasilien, die unter die Haut geht.
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Loveling - Liebling
Gustavo Pizzi
Brasilien
97′
Für einmal einfach Alltag. In Petrópolis bei Rio de Janeiro lebt Irene mit Mann Klaus und vier Söhnen. Der älteste, ein talentierter Handballer, wird von einem Profiverein aus Deutschland gescoutet. Irene wusste, dass Kinder flügge werden, aber dieser Abschied kommt früher als erwartet. Stolz mischt sich mit mütterlicher Sorge: Was macht er draussen in der Welt ohne sie? Gustavo Pizzi und Karine Teles wurden von der Geburt ihrer Zwillinge inspiriert, diese anrührende Geschichte über die Liebe zum Kind und das Loslassen zu erzählen. Mit Karine Teles steht und fällt dieses kleine Schmuckstück aus Brasilien. Der Filmstar hat nicht nur die Idee gehabt und am Drehbuch mitgeschrieben - sowie das Film-Zwillingspaar im echten Leben zur Welt gebracht -, die Teles verkörpert auch die Hauptrolle der Irene. Und wie! Man kann sagen: Der ganze Film kreist um diese Frau wie die Planeten um die Sonne, und kreisend um ihre Mutter, Schwester und Ehefrau bewegen sich auch die anderen Figuren. Was mich an diesem Film am meisten fasziniert und berührt hat, ist die Nähe zum Alltag, das Unbeschönigende, Ungeschminkte, das aus dem Vollen des Lebens heraus Geschöpfte. Kino ist ja eigentlich eine Kunst mit Hang zum Überhöhen, was sich oft auch ausbezahlt und Sinn macht. Hier aber erzählt uns ein Paar eine Geschichte, bei der man mitunter das Gefühl hat, die Familie, um die es geht, sei sich gar nicht bewusst, dass da eine Kamera alles aufzeichnet. Und dabei wissen wir doch, dass alles geschrieben und gespielt ist. Die vierfache Mutter Irene muss damit Leben, dass der älteste Sohn eine verlockende Einladung nach Europa bekommen hat und bald abreisen wird. Sie lebt mit einem Träumer von Mann und einer Schwester, die den ihren zu verlassen versucht. Das alles ist mit Liebe für Details erzählt, lebensnah gespielt, voll von komischen und amüsanten Momenten und von Hoffnung. Ein Film, der irgendwie gut tut, vielleicht eben auch deshalb, weil er uns nichts vormacht.
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Los silencios
Beatriz Seigner
Brasilien
90′
Nuria, Fabio und ihre Mutter Amparo treffen auf einer kleinen Insel inmitten des Amazonas ein, im Grenzgebiet von Brasilien, Kolumbien und Peru. Sie sind geflüchtet vor dem bewaffneten Konflikt in ihrer kolumbianischen Heimat, nachdem der Vater spurlos verschwunden ist. Eines Tages taucht er in ihrem neuen Zuhause wieder auf. Die Familie entdeckt, dass die ganze Insel von Geistern bevölkert ist. Beatriz Seigner hat eine bewegende Reflexion über das Entwurzeltsein der Flüchtlinge gestaltet. Fantastischer Realismus Mitten in der Nacht kommt Amparo auf dem Amazonas-Eiland mit dem schönen Namen «Isla de la Fantasia» an. Aus der Ferne können wir nur wenige Lichter ausmachen, die genauso gut Sterne sein könnten. Die Augen der Kinder Nuria und Fabio verleihen der Ankunft einen Hauch von Fantasie und Staunen. Die Insel wirkt arm, aber sie nimmt die eintreffenden Flüchtlinge mit Mitgefühl auf. Nuria stellt beim Kennenlernen ihres neuen Zuhauses fest, dass die BewohnerInnen nicht alleine sind. Es ist da noch eine andere Gemeinschaft, die ihrem Alltag nachgeht, ohne dass wir uns ihrer Anwesenheit bewusst wären - wie in einer Parallelwelt. Zu dieser Menschengruppe gehört der verschollene Vater der Kinder. Los silencios ist zunächst eine naturalistische Betrachtung der Flüchtlingssituation in jener Region, in der Peru, Kolumbien und Brasilien aufeinandertreffen. Der Film leuchtet, wirkt sensibel und bewegend. Die junge Regisseurin Beatriz Seigner schafft es mit der Leichtigkeit des Thailänders Apichatpong Weerasethakul in Uncle Boonmee, dem Übernatürlichen etwas selbstverständlich Natürliches einzuhauchen. Sie schafft das im subtilen Spiel von Licht und Farben der Kamerafrau Sofia Oggioni, die es sogar wagt, es fluoreszieren zu lassen und der Emotion des Melodramas etwas Zärtliches zu verleihen. Die Filmemacherin will aber mehr als eine ästhetisch schöne, ausgewogene Arbeit. Sie bleibt nah an den Realitäten der Menschen, die in dieser Grenzregion leben. Es ist diese Mischung zwischen sozialem Realismus und fantastischem Traum, die Fernando Birri «magischen Realismus» genannt hat und der hier unterstützt wird von einem Soundtrack, in dem die Geräusche des Waldes und des Flusses allgegenwärtig sind, zu dem Akkorde von einheimischen Instrumenten hinzugefügt werden, die das Geheimnisvolle bereichern und die Poesie von allem hervorheben.
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Rust - Ferrugem
Aly Muritiba
Brasilien
99′
Tati und Renet besuchen dieselbe Klasse im Gymnasium und folgen sich auf Social Media. Während einer Klassenfahrt kommen sich die beiden näher, doch die aufkommende Beziehung endet bereits am nächsten Tag, als Tati entdeckt, dass ihr verlorenes Telefon zum Durchsickern eines intimen Videos an die gesamte Schule geführt hat. Mit gravierenden Folgen. Renet wiederum kämpft zu Hause mit Instabilität, nachdem seine getrennten Eltern darüber streiten, was das Beste für ihre Kinder ist.
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Liquid Truth
Carolina Jabor
Brasilien
88′
Rubens ist ein beliebter und sorgloser Schwimmlehrer, bis er eines Tages von einer Mutter beschuldigt wird, ihren Sohn zärtlich berührt zu haben. Die Anschuldigungen werden verbreitet und beschleunigt durch moderne Kommunikationsmittel. Carolina Jabor hat einen ungemein packenden, brennend aktuellen und wichtigen Spielfilm gestaltet, der uns erkennen lässt, dass sich Wahrheit nicht per elektronischer Kommunikation vermittelt. Facebook, Twitter, SMS, Instagram, WhatsApp, Blogs und anderes mehr - heutige Kommunikationsformen haben ihre Reize, weil sie uns schnell und bequem mit anderen verbinden und Nachrichten austauschen lassen, Bilder, Töne, was immer und wann immer wir wollen. Sie bergen gleichzeitig aber auch grosse Gefahren, denn schnell ist ein Post gemacht, und eine Unwahrheit oder Verleumdung macht die Runde. Schnell kann ein soziales Medium asozial werden. Zu jenen, die das in ihrem Alltag besonders stark zu spüren bekommen, gehören Lehrerinnen und Lehrer. Rubens ist als Schwimmlehrer total beliebt bei den Kindern und Jugendlichen; er hat einen guten Draht zu ihnen, liebt seine Arbeit und das Leben. Bis zu dem Moment, da er von einer Mutter via Posts beschuldigt wird, ihren Sohn zärtlich berührt zu haben. Die engagierte Filmemacherin Carolina Jabor erzählt diese Geschichte mit dem brasilianischen Filmstar Daniel de Oliveira in der Hauptrolle bravourös und so, dass wir selber als Beobachtende unsere Einschätzung immer wieder in Frage stellen und uns damit in der Situation befinden, Urteile zu fällen, für die wir genaugenommen zu wenig Anhaltspunkte haben, aber eben doch Indizien. Sie arbeitet mit dem, was Kommunikation ausmacht, mit dem Verbalen wie mit dem Nonverbalen, mit dem, was ausgedrückt wird, wie mit dem Verschwiegenen. Liquid Truth, der Titel ihres packenden und hochaktuellen Filmes, deutet es an: Die Wahrheit ist fliessend, die Grenzen zwischen wahr und unwahr verschwimmen. Sie hängt mit Wahrnehmung zusammen, und diese kann uns täuschen. Auch mit Äusserungen, die oft schwer überprüfbar sind und heute mehr denn je. In der professionellen Medienwelt und in der Politik hat der Begriff «Fake News» die Runde gemacht. Er wird verwendet, um jegliche Wahrheitsdiskussion zu zerschmettern. In Jabors Film, der so etwas wie ein sozialer Thriller ist und spürbar auch mit dem Blick einer Frau erzählt, geht es um unseren Austausch im ganz normalen Alltag, wo einer oder eine für Handlungen verantwortlich gemacht wird und im Strudel der Messages so gut wie keine Chance hat, Klarheit zu schaffen. Die Urteile sind gefällt. Es gibt noch nicht viele Filme, die das so alltagsnah und präzis auf den Punkt bringen. Walter Ruggle
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Sonhos de Peixe - Fischträume (2006)
Kirill Mikhanovsky
Brasilien
107′
In einem kleinen Dorf an der Nordostküste Brasiliens fristet der junge Fischer Jusce sein Leben damit, mit ungenügender Ausrüstung 30 Meter tief nach Hummern zu tauchen. Sein "Gewinn" am Ende eines langen und riskanten Arbeitstages ist es, nahe bei Ana zu sitzen, währenddem diese ihre Lieblingsseifenoper geniesst. Ana träumt davon, das Dorf zu verlassen, um die Welt zu entdecken. Jusce hingegen ist zufrieden mit dem Leben, das er führt. Eines Tages kommt Rogerio, Jusces alter Fischerkollege, für die Ferien aus der Grosstadt zurück. Er fährt in seinem Sportwagen durch die Dünen und erregt damit Anas Aufmerksamkeit. Der Konkurrenzkampf zwischen den beiden um Anas Aufmerksamkeit beginnt, als Rogerio Jusce einmal mit dem Auto zu Ana bringt. Jusce muss sich selbst ein neues Image verschaffen, um Ana nicht an Rogerio zu verlieren, der ein so abenteuerliches Leben führt. Kirill Mikhanovsky siedelt seine Liebesgeschichte um den Taucher an der Küste an und spielt wunderbar mit Bildern und mit Tönen. Der Sommerfilm war ein Geheimtipp in Cannes.
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Pixote (1980)
Héctor Babenco
Brasilien
127′
In einer Besserungsanstalt für Jugendliche erlebt der Strassenjungen Pixote körperliche Misshandlung, sexuellen Missbrauch und tödliche Gewalt. Nur das Schnüffeln von Klebstoff spendet Trost. Aus Angst vor den Übergriffen flüchtet er zusammen mit einem Freund zurück in ein Leben als Kleinkrimineller auf der Strasse. In der alternden Prostituierten Sueli sucht er eine Ersatzmutter. Doch nachdem Pixote einen ihrer Freier erschiesst, wirft sie ihn raus. Wieder ist er auf sich allein gestellt. - Ein grosser Klassiker des brasilianischen Kinos und des Films in Lateinamerika.
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