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An Episode in the Life of an Iron Picker

Danis Tanović, Bosnien und Herzegowina, 2013

Der Eisenpicker Nazif findet seine schwangere Frau in Schmerzen. Der Arzt stellt fest, dass das Ungeborene tot sei und unverzüglich entfernt werden müsse. Nur: woher das Geld nehmen? Nazif versucht alles, um seine Frau zu retten. Oscar-Preisträger Danis Tanovic (No Man’s Land) hat diese wahre Geschichte auf lebensnahe Weise packend authentisch nachstellt. Kino real und pur.

Er hat etwas Atemloses, der neue Film des bosnischen Regisseurs Danis Tanovic, der mit seiner Farce «No Man’s Land» vor einem Jahrzehnt einen verdienten Oscar erhielt. Inszenierte er damals den Krieg in seiner Heimat als Auseindersetzung dreier Männer, die in ihrem eigenen Graben gefangen sind, so hat ihm dieses Mal eine kleine Zeitungsnotiz keine Ruhe gelassen. Ihr zufolge konnte die Frau eines Alteisenpickers eine lebensnotwendige Behandlung nicht bekommen, weil sie weder über die notwendigen 600 Franken verfügte noch über eine Krankenversicherung. Er hat etwas Atemloses, dieser Film, und man spürt es schon nach wenigen Minuten: Das ist eine Geschichte, die der Filmemacher rasch erzählen musste. Zu unglaublich, um wahr zu sein.
Der Eisenpicker Nazif findet seine schwangere Frau in Schmerzen. Der Arzt stellt fest, dass das Ungeborene tot sei und unverzüglich entfernt werden müsse. Nur: woher das Geld nehmen? Nazif versucht alles, um seine Frau zu retten. Oscar-Preisträger Danis Tanovic (No Man’s Land) hat diese wahre Geschichte auf lebensnahe Weise packend authentisch nachstellt. Kino real und pur.

Er hat etwas Atemloses, der neue Film des bosnischen Regisseurs Danis Tanovic, der mit seiner Farce «No Man’s Land» vor einem Jahrzehnt einen verdienten Oscar erhielt. Inszenierte er damals den Krieg in seiner Heimat als Auseindersetzung dreier Männer, die in ihrem eigenen Graben gefangen sind, so hat ihm dieses Mal eine kleine Zeitungsnotiz keine Ruhe gelassen. Ihr zufolge konnte die Frau eines Alteisenpickers eine lebensnotwendige Behandlung nicht bekommen, weil sie weder über die notwendigen 600 Franken verfügte noch über eine Krankenversicherung. Er hat etwas Atemloses, dieser Film, und man spürt es schon nach wenigen Minuten: Das ist eine Geschichte, die der Filmemacher rasch erzählen musste. Zu unglaublich, um wahr zu sein. Einen Dokumentarfilm wollte Danis Tanovic nicht drehen, das wäre ihm zu versachlicht geworden. Ein Spielfilm sollte es sein, aber keiner der falschen Emotionen. Und so entschied er sich zu etwas Ungewöhnlichem: Er lässt die Geschichte, die sich in seiner bosnischen Heimat ereignet hat, von denen nachspielen, die sie erlebt haben. Einzig die Ärzte, die die Frau abgewiesen haben, waren nicht bereit, ihre Rolle nachzuspielen. Das hätte sie wohl zu sehr daran erinnert, dass Menschlichkeit bei jedem Einzelnen beginnt und nichts Abstraktes ist.

Wie oft spürt man noch diese Dringlichkeit im Kino? Wie häufig sitzt man noch da, schaut zu und staunt, erzählt noch Wochen später vom Gesehenen. Oder müsste man hier sagen: Vom Erlebten? Gerade weil er nichts dramatisiert, gerade weil er einfach hinschaut, lässt uns Danis Tanovic teilhaben und gewährt uns einen Einblick in den Alltag einer Roma-Familie am Rand Europas. Es ist ein Leben aus dem Tag heraus, hautnah mit Elementen des Wirklichen, ein atemloser Realismus: Man schaue hin!

Walter Ruggle
Dauer
74 Minuten
Sprache
OV Bosnisch
Untertitel
Deutsch, Französisch
Video-Qualität
720p
Verfügbarkeit
Schweiz, Liechtenstein
Snow - Schnee (2008)
Aida Begic
Bosnien und Herzegowina
100′
Sechs Frauen, ein alter Mann und fünf Kinder leben in Slavno, einem kleinen Dorf, das fernab der Welt zu liegen scheint und doch in den 90er Jahren vom Krieg in Bosnien heimgesucht worden war. Jetzt soll ihr Dorf für ein Ferienzentrum an Serben verkauft werden. Sollen die Frauen das Angebot wahrnehmen und ihr verlassenes Dorf abgeben? Oder sollen sie bleiben? Das vielversprechende Debüt einer jungen Filmerin, sanft und berührend. Spuren im Schnee «Der Schnee fällt nicht, um den Hügel zu bedecken, er fällt, damit jedes Tier eine Spur seines Vorübergehens hinterlassen kann.» Welches sind die Spuren, die wir im Schnee von gestern hinterlassen? Für die Bosnierin Aida Begic, die den Balkankrieg als Jugendliche erlebte, war und blieb das eine zentrale Frage. Denn zu den Übeln der Geschichte gehört es auch, dass sie oft genug keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Jedenfalls würde man dem kleinen bosnischen Flecken auf den ersten Blick nicht ansehen, was die Menschen da durchlebt haben. Alles wirkt so friedlich, idyllisch und stimmig. Erst mit der Zeit scheinen im Alltag die kleinen Dinge auf, die eben anders sind als in irgendeinem anderen entlegenen Bergdorf in Europa. Rein äusserlich fällt als Erstes auf, dass da praktisch nur Frauen leben. Der Grossvater und der Knabe bilden die Ausnahmen. Es sind Frauen, die verheiratet waren, Kinder hatten und Männer. Der Krieg hat ihnen die Geliebten genommen, sie wissen teilweise nicht einmal wie und wo. Und jetzt sind sie da und leben ein Leben, dem sie erst wieder so etwas wie Sinn abgewinnen müssen. Wie sie das versuchen, davon erzählt Aida Begic in ihrem berührenden Erstling. Sie tut es ganz still, blickt genau hin, setzt präzis in Szene, arbeitet bewusst mit dem Schweigen. So hat sie einen Film gestaltet, der das Unsichtbare erkennbar macht. Vordergründig geht es um die Frage, ob die Frauen an dem verlorenen Ort das Geld der Spekulanten annehmen und in die Stadt ziehen sollen, weil sie dort eine bessere Zukunft erwarten können. Aber wollen sie wirklich weg? Und warum? Der Film war für mich die nachhaltigste Entdeckung am Filmfestival von Cannes, wo er, ganz still, in einer Nebensektion lief. Walter Ruggle
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Children of Sarajevo
Aida Begic
Bosnien und Herzegowina
89′
Rahima ist 23 und arbeitet in der Küche eines angesagten Restaurants in Sarajevo. Sie lebt mit ihrem 14-jährigen Bruder Nedim zusammen, den sie betreut, da die beiden ihre Eltern im Krieg verloren haben. Es ist nicht einfach für die junge Frau, für beide den Lebensunterhalt zu besorgen und mütterliche Pflichten wahrzunehmen. Unheimlich dicht erzählt Aida Begić aus dem heutigen Alltag in ihrer verwundeten Heimatstadt Sarajevo. Aida Begić, die junge Filmemacherin aus Bosnien-Herzegowina, hat bereits mit ihrem Erstling Snow (Schnee) Aufsehen erregt und es zu einer Einladung ins offizielle Programm von Cannes geschafft. Auch jetzt überzeugt sie wieder mit einer Geschichte mitten aus dem Alltag ihrer Heimatstadt Sarajevo heraus, wo vor noch gar nicht langer Zeit ein Belagerungszustand herrschte, wie man ihn im Europa des späten 20. Jahrhunderts nicht mehr für möglich gehalten hatte. Er endete erst am 29. Februar 1996. Viele, die geblieben sind und überlebt haben, haben Söhne, Männer oder auch Eltern verloren. Von zwei dieser «Kinder aus Sarajevo», erzählt Aida Begić in ihrem Spielfilm. Sie tut dies erneut mit einem ausgeprägten Formbewusstsein. Die fiebrig bewegte Kamera von Erol Zubčević taucht in der nebligen Stadt, in der vieles noch immer von einem Schleier umhüllt scheint und sich noch nicht klar zeigen kann. Atemlos muss sie schauen, dass ihr die Figuren, die unter Druck stehen und bewegt sind, nicht entwischen. Rahima und Nedim, die beiden Kinder, leben in Sarajevo in einer Gesellschaft des Übergangs, in der die Wunden tief sitzen und noch lange nicht verheilt sind. Marija Pikic und Ismir Gagula spielen ihre beiden Rollen so intensiv, dass man den Eindruck hat, sie wären nicht Spielende sondern Porträtierte. Vor der Uraufführung in Cannes 2012 hat sich Aida Begić dafür entschuldigt, dass sie noch immer keinen optimistischen Film habe machen können. Das ist, in einer Zeit, in der das Publikum sich im Kino gerne aufheitert, verständlich. Aber die Wirklichkeit ist nun mal nicht nur fröhlich, und wenn jemand so präzis hinschaut und so packend erzählen kann, wie Aida Begić, dann wird das nebensächlich. Elementar ist die Kraft, mit der sie erzählt und uns vor Augen führt, welche Spuren ein Krieg auch nach fünfzehn Jahren noch hinterlässt, auch und gerade bei Kindern. Mich hat der Film um die zwei Kinder, die ohne Eltern aufwachsen und bei denen die Tochter die Mutterrolle auch noch mitspielen muss, an den grossartigen Spielfilm Sister - L’enfant d’en haut der Schweizerin Ursula Meier erinnert. Auch sie eine Filmemacherin, die sich radikal treu bleibt und ohne Anbiederungen an ihren Filmen arbeitet. Beide betrachten sie im allerbesten Sinn Realitätsmomente in ihrer Heimat, verdichten sie zu Innenansichten, die sich in der Umgebung spiegeln. Seelenlandschaften sind das, was wir in ihren Filmen zu sehen bekommen. Walter Ruggle
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