Nuri Bilge Ceylan - Meister des literarischen Kinos

Nuri Bilge Ceylan, geboren 1959 in Istanbul, gilt als einer der bedeutendsten Regisseure des zeitgenössischen Kinos. Seine Karriere begann in den 1990er Jahren mit Kurzfilmen, doch bald machte er sich mit Spielfilmen wie «Kasaba» (1997) und «Uzak» (2002) einen Namen. Mit «Winter Sleep» (2014) gewann er schliesslich die Goldene Palme in Cannes. Ceylan orientiert sich oft an der Literatur, besonders an Tschechow und Dostojewski, und seine Geschichten spielen häufig in der türkischen Provinz. Die Filme beleuchten existenzielle Fragen der menschlichen Natur wie Einsamkeit oder moralischen Zwiespalt. Dabei setzt er auf eine präzise, fotografisch geprägte Bildsprache und nutzt lange, ruhige Einstellungen. Diese Kombination aus visueller Raffinesse und und vielschichtiger Figurenzeichnung macht Ceylans Kino zu einem eindringlichen Erlebnis. Wir präsentieren alle 9 Spielfilme des türkischen Regisseurs exklusiv auf filmingo.

The Wild Pear Tree
Nuri Bilge Ceylan
Türkei
188′
Nach Abschluss seines Studiums in Çanakkale kehrt Sinan in seine heimatliche Provinz zurück, entschlossen, hier seinen ersten Roman zu veröffentlichen. Die Finanzierung des Plans erweist sich als kompliziert, auch deshalb, weil der eigene Vater überall Schulden gemacht hat. Nach dem meisterlichen Cannes-Sieger Winter Sleep scheint Nuri Bilge Ceylan noch tiefer vorzudringen in den Zauber des Literarischen im Kino: Ein Genuss. Faszination Literaturwerdung Immer schon wollte Sinan Schriftsteller werden. Zurück aus Çanakkale in seinem anatolischen Heimatdorf holen ihn die Schulden seines Vaters ein und Fragen, die sich ihm und uns stellen. The Wild Pear Tree, der Titel des neusten Films von Nuri Bilge Ceylan, steht auch für den Titel des ersten Romans, den Sinan verfasst hat. Wir schauen gewissermassen einem Buch in seiner Entstehung zu, ohne dass wir uns dessen bewusst wären. Es wird auch nicht geschrieben, es bildet sich aus und mit dem, was sich da eben gerade abspielt. Man könnte auch sagen: Wir schauen der Literatur beim Literaturwerden zu. Sinan wird als Lehrer arbeiten und muss fürchten, in den Osten versetzt zu werden. In der Schule wie in der Kultur hat man es in der Türkei von heute nicht einfach. Freies Denken ist nicht erwünscht und schädlicher als Rauchen. Es könnte Fragen stellen oder sich lustig machen, beides Dinge, die Autokraten nicht mögen. Aber Nuri Bilge Ceylan ist kein Filmemacher, der seine Lebenszeit mit dem Oberflächenhandwerk Politik vergeuden möchte. Seine Filme sind existenzielle, und dadurch werden sie erst recht politisch. Hier visualisiert er wie gewohnt bestechend und dialogisiert in literarischer Grösse. Die Bilder geben der Sprache Raum, im Ton wirkt auch ein Schweigen oder der Hauch des Windes ausdrucksstark. Und wann hat man im Kino zuletzt so abgehoben bei einem Kuss wie hier am Brunnen bei den Bäumen? Einem Ceylan- Film sollte man offen begegnen, dann wünscht man nach drei Stunden, das Schauen und Lauschen mögen noch lange dauern. Der Türke schafft es, uns gar nicht merken zu lassen, dass er am Erzählen ist, während seine Kamera doch nur mal diese oder jene Szene diskret betrachtet. Kein Filmemacher ist heute so nah am Literarischen und gleichzeitig so unaufdringlich stark visuell. Walter Ruggle
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About Dry Grasses
Nuri Bilge Ceylan
Türkei
198′
Samet unterrichtet in einem abgelegenen Dorf in Anatolien und hofft auf eine baldige Versetzung. Aufgrund der Beschwerde einer Schülerin wird seine Lage ungemütlich, gleichzeitig lernt er die engagierte Lehrerin Nuray kennen, die auch seinen Freund Kenan in Bann zieht. Nuri Bilge Ceylan, Gewinner der Palme d’or für Winter Sleep, lotet erneut brillant die Fallgruben menschlicher Beziehungen aus, zeichnet die Fragilität der Hoffnung in luziden Dialogen und starken Bildern. Merve Dizdar erhielt in Cannes für ihr subtiles Spiel den Preis der besten Darstellerin.
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Uzak (2002)
Nuri Bilge Ceylan
Türkei
110′
Wie die Grossstadt einen Menschen verändern kann, inwieweit sich individuelle Werte verschieben und Beziehungen vernachlässigt werden, zeigt der türkische Regisseur Nuri Bilge Ceylan im letzten Teil seiner Trilogie. Im Gegensatz zu «The Small Town» und «Clouds of May» siedelte er «Uzak» (Distanz) in der faszinierenden türkischen Metropole Istanbul an, die selber auch ein Ort des Übergangs ist von einem Kontinent zum anderen, von einem Kulturkreis zu einem anderen. In diese Stadt zog der Fotograf Mahmut bereits vor längerer Zeit, um sich niederzulassen und hier zu arbeiten. Längst hat er sich den Gegebenheiten angepasst. Ganz im Gegensatz zu seinem arbeitslosen Verwandten vom Lande, der eines Tages bei ihm auftaucht, um auf einem Schiff anzuheuern. Mahmut erklärt sich gezwungenermassen bereit, ihn kurzzeitig aufzunehmen. Doch die Jobsuche erweist sich als schwieriger als geplant und die beiden Männer müssen länger als geplant aneinander vorbeikommen. Ein eindringlicher Film über die Veränderungen eines Menschen, seiner Werte und Beziehungen durch das Leben in der Grossstadt.
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Kasaba - The Small Town (1997)
Nuri Bilge Ceylan
Türkei
84′
In vier Kapiteln und aus der Perspektive der Kinder erzählt Nuri Bilge Ceylans Kasaba von einer Grossfamilie in einer kleinen, gottverlassenen Stadt in der Türkei. Mit dem Caligari-Filmpreis an der Berlinale 1998 ausgezeichnet, zeigt Ceylans Debütfilm in prägnanten Schwarzweiss-Bildern bereits die Stilistik und Subtilität, welche seine späteren Werke wie Once Upon a Time in Anatolia auszeichnet.
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